Die Brunnenplastik »Sibylle« ist das Ergebnis eines künstlerischen Wettbewerbes, den die Künstlerin 2005 gewonnen hat.
Sibylle ist in der griechischen Mythologie eine Seherin, die die Zukunft, zumeist unheilvolle Ereignisse, voraussagt. Ihre Orakel wurden in rätselhafter Sprache von unbekannten Autoren niedergeschrieben und für religiöse oder weltanschauliche Zwecke verwendet.
Auf dem Stadtplatz am oberen Ende der »Wasserachse«, der von einer Schule und einer Kindertagesstätte eingegrenzt wird, befindet sich ein flaches Wasserbecken aus grauem Beton. Darin liegt eine Sibylle, die ihren Oberkörper sehr gerade nach oben hält. Sie stützt sich auf die Ellenbogen, der linke Unterarm ist in lockerer Pose über den rechten gelegt. Die Füße vollziehen die Bewegung in umgekehrter Richtung. Die zeichenhafte weibliche Figur hat den Kopf zur Seite gedreht. »Sibylle«, die Prophetin, hat sich abgewendet, ihr Blick geht nach innen. Gelassen thront sie über der Szenerie am oberen Ende der »Wasserachse«. Die Künstlerin Anne-Kathrin Altwein nimmt mit einer Katze, die sie vor das Becken gesetzt hat, Bezug auf den realen Ort, die Schrödingerstraße. Nach dem Namensgeber, dem Physiker Erwin Schrödinger, wird ein Gedankenexperiment, bei dem eine Katze gleichzeitig lebendig und tot sein kann, als »Schrödingers Katze« bezeichnet. Das kleine Tier sitzt zusammengekauert vor einem Loch und beobachtet genau, wie in regelmäßigen Abständen ein Wasserstrahl nach der »Sibylle« spritzt. Wissenschaftliches Experiment und Orakel stehen sich gegenüber, die neue Zeit und uralte Mythen.
Doris Weilandt